Mein Name ist Yoshikawa, ich bin ein Kranich und lebe in Asien

Mein Name ist Yoshikawa, ich bin ein Kranich und lebe in Asien. Gemeinhin gelte ich als Vogel des Glücks. Viele Menschen verehren mich. In Japan bin ich der Vogel des Friedens und stehe für ein langes Leben. Zu Tausenden und Abertausenden werden wir gemalt und gezeichnet, fotografiert und gefaltet. Dann nennt man uns Origami. Wir haben auf der ganzen Welt Brüder und Schwestern, Cousins und Cousinen. Auch im fernen Europa, sogar nach Deutschland kommen meine Artgenossen wenn sie nach Süden ziehn.

Meine Cousine mütterlicherseits heißt Edeltraud. Sie lebt normalerweise im Norden Skandinaviens. Jedes Jahr zieht sie gen Süden ins Ferne Spanien. Dabei macht sie 2x Rast vor der Insel Rügen. Gemeinsam mit Zehntausenden anderen Kranichen futtert sie sich auf den Feldern Fettreserven an. Brauchen wir Kraniche für den langen Flug. Nun ja während der letzten Rast gen Norden, im März des Jahres 2019 nach dem Gregorianischen Kalender beobachtet Edeltraud wieder einmal Zweibeiner. Meine Cousine ist sehr neugierig, müssen Sie wissen. Sie sieht wie sich zwei augenscheinlich weibliche Zweibeiner (recht schwatzhaft) und zwei männliche Vertreter (sonst eher sparsamer mit Worten) der Gattung Homo Sapiens recht lautstark und gestikulierend unterhalten. Die Menschen wie sich diese Säugetiere auch nennen, gehören übrigens zu den Primaten. Denken sind besonders hoch entwickelt, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls fällt ihr ein kleiner, grauer Dicker besonders auf. Laut redet dieser auf die anderen ein, ob sie denn nicht mitkommen möchten in das Land der Morgenstille und der aufgehenden Sonne. Er wolle im Herbst mit seiner Gefährtin, im Gegensatz zu ihm eine ansehnliche Vertreterin ihrer Rasse, mit knapp 30 Gästen (sicher ebenfalls Zweibeiner) nach Korea und Japan reisen. Und zwar für fast 4 Wochen. Edeltraud, meine Cousine mütterlicherseits traut ihren Ohren nicht.

So eine große Gruppe nimmt sich so lange Zeit für eine einzige Reise? Sie hält den dicken, grauen Kleinen für einen Aufschneider. Gibt es übrigens viele unter dieser speziellen Primatengattung. Also will sie das überprüfen, um im Falle dass es nicht stimmt, diesem kleinen Unhold mit seiner Gefährtin beim nächsten Futterstopp in Deutschland mal so richtig den Garten zu plündern. Edeltraud würde dazu auch eine Hundertschaft Kranichfreunde einladen. Andererseits möchte meine Kranichcousine (mütterlicherseits) ihm aber auch kein Unrecht tun. Was wenn sie den Garten plündern und der kleine, dicke Graue doch mit so vielen Gästen in das ferne Korea und Japan reist? Und dann auch noch so lange dort verweilt? Als stolze Kranichfrau wäre sie dann aufgeschmissen, würde selbst als Aufschneiderin und Schwätzerin gelten. Doch wie überprüfen? Wen soll Sie fragen? Da fällt ihr endlich mal wieder ein, dass Sie eine Asiatische Cousine hat. Also schickt Sie mir im April eine Kranichdepesche:

„Ohayou Gozaimasu liebe Cousine Yoshikawa, ich habe eine große Bitte. Wieder einmal habe ich meinen Kranichschnabel etwas weit aufgerissen. Ich sah vier Zweibeiner schwatzen und hörte einen kleinen, grauen Dicken damit prahlen, dass er nach Korea und Japan kommen würde. Sage und schreibe 28 weitere Vertreter dieser Primatenart seien in seinem Schlepptau. Knapp 4 Woche wölle er bleiben. Ich habe das sofort als Aufschneiderei abgetan. Vielleicht war ich aber auch zu voreilig? Ich hörte noch, dass diese lange Reise am 13. Oktober beginnen soll. Als erstes wollen die sich die Hafenstadt Busan in Korea anschauen. Kannst Du herausfinden, ob diese Zweibeinergruppe tatsächlich bei euch ankommt? Vielleicht ist es Dir als klügste aller Kranichdamen auch möglich zu schauen was die so treiben und wie lange sie nun wirklich durch eure Lande ziehn. Ach liebe Yoshikawa – kannst DU das für mich tun? Deine Europäische Cousine Edeltraud.“

Naja, so denke ich mir, kann ja nicht schaden mal zu schauen wer so in unsere Lande kommt und sich herumtreibt. Man hört ja so viel von den kulturlosen Europäern. Da die Menschengruppe am 13. Oktober starten will, kann sie frühestens am nächsten Tag ankommen. Die großen Eisenkraniche, die die Vierbeiner nutzen (selbst fliegen können die ja nicht) erreichen mehr als 15 Kranichgeschwindigkeiten. Also mach ich mich auf den Weg, wir schreiben den 14. Oktober, ein Montag nach dem Sonnenkalender. Am großen Landeplatz in Seoul, der Hautstadt der Republik Korea, herrscht großes Eisenkranichgetümmel. Massenweise Vierbeiner spucken die großen Vögel aus. Wie soll ich da meine Zweibeiner Gruppe erkennen? Da erkenne ich einen grauen, dicken Kleinen mit einigen Vierbeinern im Schlepptau. Er schaut ziemlich mürrisch und sieht ziemlich müde aus. Gar nicht wie ihn mir Edeltraud schilderte. Sie beschrieb ihn als aufgeweckten und freundlichen, durchaus hilfsbereiten wenngleich oftmals rechthaberischen Vertreter der Menschengattung. Nun ein Erklärer und Sager eben. Doch der hier schaut mir nicht sehr optimistisch aus. Und die Zahl der Mitreisesenden stimmt auch nicht. Ich zähle nur 22 und nicht 28. Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich setze mich unweit des Ausgangs auf einen der hohen Lichtmasten (da kann mich keiner erkennen) und beobachte die Szenerie.

Nun gesellt sich ein sehr muskulöser, etwas seltsam schwadronierender Zweibeiner hinzu. Der graue, kleine Dicke nimmt sofort Kontakt zu ihm auf, seine Stimmung scheint sich zu heben. Wahrscheinlich ist er froh, nicht mehr allein die Zweibeinergruppe im Schlepptau zu haben. Denn seine Gefährtin, die ansehnlichere von den Beiden, ist ebenfalls nirgends zu sehen. Doch das ahnte ich ja schon, denn Edeltraud hatte so etwas aufgeschnappt. Von wegen der Dicke kommt vielleicht doch ganz allein mit 28 Gästen. Ich wollte das nicht glauben. Nun, die ganze Meute steigt in einen Eisenwagen. Nachdem deren ganzes Hab und Gut (vielleicht wollen die gar nicht mehr zurückkehren) verstaut ist, setzt sich das Gefährt in Bewegung.

„Meine Name ist Mister Lee. Ich habeee lange in Deutttschlaaand gelebbt. In Köln und München, Hamburg und Berlin. Mein letzter Dienstgrad bei der koreanischen Armee war der eines Oberst. In Deutttschlaaand war ich zum Kommandeurslehrgang. Mein bester Freund ist 4 – Sterne General.“ – na da haben sich meine Zweibeiner ja einen ganz besonderen Vogel eingefangen. Quer durch Südkorea führt sie die Tour. Vom Nordwesten bis in den Südosten. Busan ist ihr erstes Etappenziel. Im noblen Hotel Palace steigen sie ab. Immerhin Leading Hotels oft he World. Also in Korea angekommen sind sie, wenngleich nur 22 Mitreisende dem kleinen, dicken Grauen folgen.

Wo, so frage ich mich, sind die anderen 6 geblieben? Denn auf dem Weg zum deutschen Eisenkranich Abflug und Landeplatz haben sich 28 gutaussehende und fröhliche Zweibeiner und ihr Anführer, der dicke, graue Kleine, Sie wissen schon, gemacht..

Gleich am Abend laben sich die Reisenden am üppigen Fressplatz in Ihrem Domizil. Und da gibt’s wirklich alles vom Feinsten. Nudeln und Fisch, Salate und Fleisch, Obst und süße Leckereien. Alles wird gekostet und reichlich vertilgt. Vielleicht müssen sich auch die Menschen Fettreserven anfuttern wenn sie auf eine große Reise gehen. So wie wir Kraniche. Nur der graue, dicke Kleine schient keinen richtigen Hunger zu haben. Und das, obwohl mir meine Kranichcousine berichtete, Sie habe genau gesehen, dass er immer und überall futtert. Zumindest wenn es gut schmeckt. Er sei ein großer Genießer. Und hier an diesem Futterplatz verweilt er gerade mal 10 Minuten. Was ist da wohl schief gelaufen?

 

 

Dann fährt er mit dem Oberst schon wieder los.  Ich hinterher. Am Landeplatz von Busan gesellen sie sich zu den vielen anderen Zweibeinern, die alle wohl auf ankommende Menschen warten. Und jetzt geht mir ein Licht auf. Die fehlenden 6 Reisemenschen haben sich vielleicht verflogen. Das passiert bei uns Kranichen ja auch ab und an – immer wenn sich ein Grüppchen nicht so richtig an die Flugformation hält. Was ich nicht wusste, dass sich auch Eisenkraniche verfliegen. Noch dazu nur teilweise. Komisch.

Doch ich habe Recht. Sie kommen, die Freude ist groß, tatsächlich sind nun 28 Zweibeiner und ein kleiner Anführer im Land der Morgenstille angekommen. Später erfahre ich, dass sich die 6 Zweibeiner tatsächlich verflogen hatten. Statt nach Seoul brachte der Eisenkraniche dieses Grüppchen ins ferne China. Und dass obwohl auf dem Eisenvogel sogar ein Kranich als Symbol aufgemalt ist. Aus dem fernen Peking brachte dann ein koreanischer Eisenvogel die 6 Abtrünnigen nach Busan. Am großen Futter- und Schlafplatz am schönsten Strand der Stadt sind nun alle wieder vereint. Schnell suchen alle ihre Nester auf und versinken in süßen Träumen.

 „Der Tempel Haedong Yonggungsa ist der schönste in ganz Korea. Tosend umspült das Ostmeer (so heißt das Japanische Meer in Korea) das Areal. Immer wieder bieten sich neue Panoramen und Blickwinkel auf die Tempelanlage. Ein erster großer Höhepunkt unserer Reise“ erklären die beiden Anführer (Genannt fortan in Korea – der Oberst und sein General) Ihren gefolgsamen Zweibeinern. Dann führt sie die Reise nach Gyeongju. Mehr als 1000 Jahr lag hier die Hauptstadt des alten Silla Reiches. Es ist Koreas historisches Herz. Die Region Gyeongju gehört zum UNESCO-Welterbe. Doch zunächst einmal schließen die Zweibeiner Bekanntschaft mit den Koreanischen Tischseiten. „Ja – die Schuhe ziehen Sie bitte gleich am Eingang aus. Strümpfe mit Loch sind da eher unpraktisch. Und nein es gibt keine Stühle, wir setzen uns in Korea auf den Boden zum Speisen. Genau – die Metallstäbchen sind zum Aufnehmen der Nahrung gedacht. Nein, nichts damit aufspießen und keinesfalls als Zeigefinger nutzen. Messer und Gabeln gehöre nicht zur Koreanischen Tischsitte“ – der kleine, graue, dicke General und sein Oberst erklären alles ganz genau und müssen jede Menge Fragen beantworten. Alles, rund um den Koreanischen Tisch, wollen die Reisemenschen wissen. Und dann langen sie kräftig zu, in Windeseile verzehren Sie fast alles was auf den Tisch kommt. Das sind wirklich Genießer, hätte ich diesen Zweibeinern aus der Ferne gar nicht zugetraut.

Durch koreanische Köstlichkeiten gestärkt wandern die Zweibeiner zur Seokguram Grotte. Vor mehr als 1200 Jahren wurde diese als Schutz eines einzigartigen Heiligtums errichtet – der Sakyamuni Buddha. Die 3,45m hohe Statue gehört zum UNESCO Welterbe. Sie soll die Koreaner und die Besucher des Landes beschützen. Gut das der dicke, kleine Graue die Zweibeiner hierherbringt. Dann kann nicht viel schief gehen, ich bin erstmal beruhigt, muss ich doch nicht gar so viel Angst um die „unwissenden“ Reisemenschen machen.

Einer der bekanntesten und wichtigsten Tempel des Landes ist Bulguksa. Klar, hierher führen der Oberst und sein General die Gäste auch. Der Tempel ist auf mehrere Steinterrassen errichtet. Als Koreas Nationalschatz Nr. 23 gilt eine Treppenanlage aus dem achten Jahrhundert. Der untere Teil, die „Brücke der blauen Wolken“ (Cheongungyo), ist 6,3 m lang und hat 17 Stufen. Der obere Teil, die „Brücke der weißen Wolken“ (Baegungyo), hat eine Länge von 5,4 m lang und hat 16 Stufen.  Üppig bunter Blumenschmuck sorgt für herbstliche Farben. Die exotische Architektur, Blumen und Bäume bilden ein harmonisches Bild. Ein wenig geschafft vom ersten langen Exkursionstag scheinen sie schon, denn auf dem Rückweg nach Busan fallen die Äugelein zu, die ersten träumen schon. Zur Belohnung werden die Gäste zum Busaner Edelbuffet geladen. Da fallen den Reisemenschen fast die Augen aus dem Kopf. Gefühlte 100m Büfettfläche, da ist alles aufgereiht was das koreanische Gourmetherz begehrt. Mit kulinarischen Genüssen beschließen sie den Tag.

 „Wir fahren um 8, nein erst halb neun. Das ist zu spät, manchmal Stau. Die Gäste wollen ausschlafen.“ Ohje – der Oberst und sein General im temporären Streitgespräch. Viertel neun setzt sich dann die Eisenkarosse in Bewegung. Zum Bahnhof soll es gehen, zur Fahrt mit dem rasenden Eisenwurm. Doch weit kommen sie nicht. Auf der großen Brücke stellen sie sich im Stau ganz hinten an, so wird es knapp. Ich flieg schon mal voraus, vielleicht kann die Eisenschlange ein wenig warten. Da sehe ich die Zweibeiner kommen – statt am vorderen Eingang hält die große Eisenlimousine hinter dem Bahnhof, damit die Reisemenschen auch wirklich noch ein bisschen wandern müssen. Nun: letztlich kommen alle pünktlich auf dem Bahnsteig an. Gut 5 Minuten vor Abfahrt. Schnell werden die künstlichen Augen nochmals in Position gebracht (Kamera oder Fotoapparat nennen die Menschen das – mit machen der Geräte sprechen sie sogar) und Momente eingefroren oder auf dem Chip gespeichert, wie die Zweibeiner sagen. Und schon setzt sich die rasende Schlange in Bewegung. Im Höllentempo durch Korea. Hochmodern sind Koreas Schnellzüge KTX, bis zu 300 km/h schnell. Und pünktlich, leise sowie komfortabel obendrein. Da staunen die Reisemenschen aus der Ferne ganz schön. Ich mach mich derweil auf in den Seorak Nationalpark.  Da ist es so schön ruhig, es gibt viele bunte Bäume (Herbst sei Dank) und großartige Berglandschaften.

Der Zug, so weiß ich, erreicht Seoul pünktlich. Von da aus fahren die Schumann Zweibeiner in einer Eisenkutsche bis in Ihr Schlafnest. Diesmal heißt das Kensington und sieht aus wie ein altes, englisches Landhaus. Überall Plüsch, dicke Teppiche und Bilder. In der Bar ganz oben sollen sogar die Beatles schon gewesen sein. Zumindest haben die ihre Gitarre dort vergessen. Obwohl von allen der Name extra draufsteht – verstehe einer die Menschen.

Ich bin die ganze Nacht geflogen und komme in aller Früh vor dem Kensington an. Die Zweibeiner aus dem Westen sind zu Wanderern mutiert, so scheint mir. Flotten Schrittes, manche auch eher im Schneckentempo, laufen sie durch den herbstlichen Wald. Erst eben und bequem, steigt der Weg bald an, wird zum Klettersteig bis hoch zum Wasserfall. Der Biryong wird auch als „Fliegender Drachen“ bezeichnet. Ob die Besucher ihn sehen und erkennen können? Mich haben sie ja bislang auch nicht entdeckt. Der ausgiebigen Wander- und Klettertour folgt ein bequemerer Aufstieg per Gondelbahn. Hinauf zum Fuß des Mt. Seorak. Prächtige Panoramen bieten sich den Zweibeinern hier. Kindern gleich klettern sie bis zur höchsten Anhöhe. Zücken ihre künstlichen Augen und frieren wieder massenhaft Momente ein. Wer die wohl alle auftauen soll, um sie sich zu betrachten?

Am Abend sehe ich sie im feinsten BBQ Restaurant der Region. Und jetzt lassen sie so richtig auftafeln. Feinstes Koreanisches Rind, das mit der Marmormaserung, wird gebrutzelt. Dazu Tartar, Gemüse und edle Pilze – ein Festschmaus einem König würdig.

 „Drei lange Jahre tobte der Krieg in Korea. Dann zerriss er das Land. Brachte bitteres Leid über die Menschen hier. Familien wurden auf ewig getrennt. Kein Brief, kein Telefon, kein Besuch ist möglich. Die demilitarisierte Zone (DMZ) teilt das Land in Nordkorea und Südkorea. UNO Blauhelme bewachen den Status quo“ erklären die beiden Anführer ihren Gästen. Es ist wirklich eine Schande, voller Hochachtung schauen die Koreaner auf das Ferne Deutschland, da wo meine Zweibeiner herkommen. Dort gelang vor 30 Jahren, was die Koreaner so dringend herbeisehnen. Die Wiedervereinigung eines ganzen Volkes. Gerührt und Ergriffen kommen die Reisemenschen aus dem DMZ Museum. Eindrucksvoll wird hier das Leid dieser Trennung dargestellt. Manch einer wird sich an eigene Erlebnisse aus der Zeit der Deutschen Trennung erinnert haben. Wünschen wir den Koreanern, dass sie alsbald auch den eisernen Vorhang überwinden. Kein Volk dieser Welt gehört gespalten, die Menschen sollten, so wie wir Kraniche auch, selbst entscheiden, wohin sie fliegen oder wo sie bleiben.

Am Nachmittag bringt die Eisenkutsche die Reisemenschen in die größte Metropole Koreas. Seoul ist nicht nur Hauptstadt des Landes. Als kulturelles, kulinarisches und wirtschaftliches Zentrum gehört die Metropole auch zu den meistbesuchten der Welt. In der Stadt selbst leben rund 10 Millionen Menschen, mehr als 25 Millionen in der Metropolregion. Wolkenkratzer reiht sich an Wolkenkratzer, in den Straßenschluchten bewältigen Bahnen, Busse und Autos den täglichen Verkehr. Seoul schläft anscheinend nie. Im höchsten Gebäude des Landes, sage und schreibe 555 m hoch, finden die Zweibeiner ihr Nest für die nächsten 3 Tage. Das Signiel Hotel im Lotte Turm gehört zu den edelsten Herbergen ganz Asiens.

 

 

Ich freue mich, dass es sich meine Gäste (mittlerweile habe ich diese Menschengäste echt lieb gewonnen) so richtig gut gehen lassen. Sie genießen die Tage hier in Seoul. Erfreuen sich an Tempeln und Palästen, genießen kulinarische Spezialitäten mit Musik und stürzen sich sogar ins U-Bahn Getümmel. Dann wollen sie es sogar und Vögeln gleich tun. Hoch hinaus über die höchsten Wolkenkratzer schweben – doch daraus wird erstmal nichts. Dichter Nebel wabert über der Stadt. Doch der kleine, dicke Graue scheint manchmal magische Kräfte zu haben – irgendwie vertreibt er die Wolkendecke und die Sonne taucht die Stadt ins Goldene Licht. Und so wird es doch noch etwas mit dem „Kranichflug“ – ein riesiger Vögel mit rotierenden Schwingen schraubt sich mit den Zweibeinern gen Himmel. Ein fantastisches Panorama gibt den Menschen einen Eindruck davon, wie riesig dieses Seoul eigentlich ist. Jedenfalls sehe ich nur begeisterte Gesichter an diesem Tag. Am Abend wurden alle zum Koreanischen Gala Dinner geladen. Yannick Alléno, immerhin mit 3 Michelin Sternen dekoriert, kocht mit mehr als 20 Kollegen für die besonderen Zweibeiner auf. Feinste Speisen, von Gänseleber bis zum frischen Steinbutt, koreanischen Beef und süßen Verführungen. Dazu fließt reichlich edler Wein. Abschied von Korea auf ganz eigene, kulinarische Art und Weise. Einfach großartig meint der graue, kleine Dicke und die Gäste denken das wohl auch.

Am nächsten Morgen sieht das mit den fröhlichen Gesichtern schon etwas anders aus. Früh um 6 schauen doch alle noch etwas müde aus ihrem Federkleid.  Der Oberst hatte sie bereits tränenreich verabschiedet, nun bringt sie die Eisenkutsche zum Eisenvogel Sammelplatz hier. Ich habe nun eine weite Strecke vor mir. Bis in den Norden Japans geht die Tour. Ich hoffe, ich finde meine Zweibeiner hier wieder.

 

日本へようこそ!– Nihon e yokoso – Herzlich willkommen in Japan. Auf dem Flughafen Tokyo Haneda betreten die Reisemenschen erstmals Japanischen Boden. Ich sehe sie nur ganz kurz, als ich diese Megametropole auf meinem Weg nach Hokkaido überfliege. Alles scheint jedoch gut zu klappen. Der Anführer, nun wieder der kleine, dicke Graue und nicht mehr General, führt sie durch das Labyrinth des Großflughafens. Das macht er gar nicht so schlecht, muss wohl schon mal hier gewesen sein. Also sorgen muss ich mich nicht.

Als auch ich am Abend auf der Halbinsel Shiratoko ankomme, sehe ich wieder nur glückliche Zweibeiner. Manche sitzen im Onsen, so heißen hier die heißen Mineralbäder, die aus der tiefe unserer Erde ans Tageslicht sprudeln. Und ich sehe auch, dass sie die Japanische Kultur kennen und respektieren. Vor dem Besuch schrubben sie sich ab mit viel Seife und Wasser, gehen ohne Federkleid ins heiße, magische Wasser und bleiben ganz still und genießen. Einfach toll! Dann sehe ich sie am großen Japanischen Buffet. Sie kosten wirklich von allen den Leckereien. Roher Fisch und allerlei anderes Meeresgetier,  Lotuswurzel, Ingwer und Fischpastenklöße. Bohnen und Mais, Blumenkohl und Rettich, Tofu scharf und mild – manches dieses Futters habe ich nie vorher gesehen.

 Wie ein gekrümmter Finger in das Ochotskische Meer hineinragend ist die Halbinsel Shiretoko bedeckt von dichtem unberührtem Wald. Eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren leben hier. Steile Klippen prägen die Ufer. Shiretoko gehört zum  UNESCO Welterbe. In der Sprache der Ainu, der ursprünglichen Bevölkerung von Hokkaido, bedeutet Shiretoko „Ende des Landes“. Die Halbinsel ist vulkanischen Ursprungs und starker Erosion durch Treibeis ausgesetzt. Sie hat sich ihre Unberührtheit über die Jahrhunderte bewahrt. Jetzt im Oktober hat der Herbst die Wälder mit einem bunten Kleid versehen.  Golden leuchten Birken und Ginkgo, rot der Ahorn und gelb bis orange die Eichen. Der See Kussharo ist der größte Caldera See Japans. Am Ufer brodelt es, heißes Thermalwasser drängt an die Oberfläche. Der See aber ist kristallklar und kalt. Bunter Herbstwald zieht sich die Hügel hinauf. Herbstfaszination! Ein Wunder der Natur.

  Zweifellos gehören Braunbären zu den faszinierendsten Wesen in Japan. Es sind die größten Landsäugetiere hier. Auf der Halbinsel Shiretoko lebt eine der größten und dichtesten Populationen weltweit. Mit einem schaukelnden Boot wollen die Reisemenschen auf Bärenjagd gehen. Jagd mit den künstlichen Augen wohlgemerkt, schießwütige sind nicht dabei. „No bears, you can not see bears in October. Please don´t speak about bears.“ – der Kapitän ist ein Japanischer Berufspesimist. Er weiß wahrscheinlich nicht um die magischen Kräfte der Gruppe. Doch zunächst entlang einer zauberhaften Küste. Schroffe, vom winterlichen Treibeis geformte, Klippen steigen steil aus dem Meer. Dampfende Wasserfälle plätschern den Fels hinab. Onsenwasser, direkt aus der Tiefe der Erde. Dann, auf einem einsamen Fels, eine Largha-Robbe. „Die sind äußerst selten hier zu beobachten“ übersetzt der Anführer die verwunderten Sätze des Kapitäns. Und dann, sie trauen ihren Augen kaum, der erste Braunbär. Gemächlich trottet er am Fluss entlang. Dann noch einer und noch einer. Der dritte gesichtete Bär ist ein richtig großer seiner Gattung. Mit Genuss verschlingt er einen großen Lachs. Er braucht jetzt auch Fettreserven, denn bald beginnt für die Braunbären hier die Winterruhe. Nicht mehr lange und der Schnee türmt sich meterhoch über der wilden Landschaft. Doch unseren Reisemenschen beschert der Oktober einen Goldenen Herbst.

Dann wollen die Zweibeiner vom wilden Japan in die Hauptstadt Tokyo ziehen. Also mach ich mich wieder auf den Weg, ihnen zu folgen. Zunächst nehmen sie die Eisenkutsche. Quer über die ganze Insel bis zum Flughafen bei Sapporo. Wieder prägen bunte Wälder das Landschaftsbild. Reisende Gebirgsflüsse gurgeln zu Tale. Hier und da durchquert ein mächtiger Hirsch die seichteren Gewässer. Immer wieder fruchtbare Felder, die gerade abgeerntet werden. Ein langer und spannender Reisetag. Am späten Abend dann ist Tokyo erreicht. Im Park Hotel finden die Zweibeiner ihr Nest. Diesmal ein recht kleines, doch dafür mit bester Aussicht und inmitten glitzernder Wolkenkratzer.

Nun kreise ich also mal wieder über der gigantischen Metropole Tokyo. Im Großraum leben 37 Millionen Zweibeiner – die größte zusammenhängende Metropolregion der Welt. Eine gigantische Ansammlung von Wolkenkratzer und Straßenschluchten, Tempeln und Schreinen. Tokyo ist Hauptstadt und Sitz des Kaisers, hier in Japan Tennō genannt. Übrigens wurde gerade eben der neue Kaiser, Naruhito heißt er, auf den Chrysanthemen Thron gehoben. 2.000 Gäste aus dem In- und Ausland verfolgten die Zeremonie im Kaiserpalast, darunter der Bundespräsident der Reisemenschen. Weshalb meine lieben Zweibeiner nicht geladen sind, das verstehe ich auch nicht.

Die besuchen nun gemeinsam mit Mrs. Sato zunächst den Sky Tree. Sage und schreibe 634 m ragt der Turm in den Himmel, damit ist er der höchste Fernsehturm der Welt und gleichzeitig weltweit zweithöchstes Gebäude. Nur der Burj Khalifa in Dubai überragt den Sky Tree nochmals um knapp 200 m. Irgendwie scheinen meine Reisemenschen einen Hang zu hohen Aussichtstürmen zu haben. Wollen immer wieder hoch hinaus, mit Fahrstühlen auf solch hohe Nestbäume oder per Eisenvogeln mit rotierenden Schwingen. Nun die Vogelperspektive bietet eben auch einen tollen Überblick.

Dann tauchen sie tief ein in die Geschichte Japans und Tokyos. Sie besuchen das Edo Museum. Edo war der frühere Name der japanischen Hauptstadt. Hier bestaunen sie die prachtvollen Gebäude aus längst vergangenen Zeiten. Damals herrschten Shogune und Samurai. Denn Tenno, Japans Kaiser, hatte so wie heute nur repräsentative Aufgaben. Unsere deutschen Gäste unternehmen eine richtige kleine Reise durch hunderte Jahre Geschichte. Mrs. Sato nimmt sie mit in eine längst vergangene Zeit.

 Japan ist auch eine Sportnation. Baseball gilt als Nummer 1 sowie Fußball in der Heimat der Zweibeiner. In den professionellen Sumō Ligen Japans kämpfen echte Schwergewichte. Bis zu 250 Kilo bringen manche auf die Waage. Dabei bewegen sie sich wie Tänzer und sind gelenkig wie Bodenturner. Unsere Reisemenschen interessieren sich dafür, wollen eine  Sumō – Schule besuchen. Wollen sie gar gegen einen der Respekt einflößenden Ringer antreten? Ich bin gespannt, suche mir einen Platz von dem ich durch das Fenster in den kleinen Saal schauen kann.

Zunächst stellen sich die beiden Sumō Ringer den Gästen vor. Sie seien ehemalige Ringer erklären sie. Einer von den beiden ist ein richtiger Menschenberg. Eine Erscheinung – so muss man sagen. Dann zeigen sie ein paar Übungen, sogar Spagat haben die drauf. Nun wird’s spannend: beide Sumō Ringer stehen sich gegenüber. Spreizen erst das eine, dann das andere Bein in die Höhe, fast wie ein Ballett Tänzer trotz ihrer enormen Körperfülle. Dann wird kräftig aufgestampft. Sie schauen sich in die Augen und in der nächsten Sekunde prallen beide aufeinander. Was für eine Energie. Nach wenigen Sekunden ist einer von Beiden von der Matte gedrängt und hat verloren. Zweimal noch wiederholen die beiden Sportler dieses Prozedere. Eine grandiose Vorstellung. Dann fragt doch tatsächlich der größte von Beiden wer gegen ihn oder seinen Kumpel mal kämpfen möchte. Ich traue meinen Kranichaugen nicht – der kleine Graue ist nun rosa und noch dicker. Er betritt ebenfalls die Ringer Arena. Nun etwas komisch sieht er schon aus. Er gibt alles, rennt gegen den Fleischberg an. Und nochmal und nochmal. Doch der rührt sich keinen Millimeter und Schwups liegt der Graue, kleine Dicke auf der Matte. Immerhin, er hat sich gut geschlagen. Verbeugung, Gruppenfoto und schon machen sich alle übers nahrhafte Sumō Futter her. Schmeckt auch wirklich lecker. Die Kämpfer bereiten das selbst zu, habe ich gehört.

Der Sensō-ji Tempel gilt als prächtigster und bedeutendster Tokyos. Die Zweibeiner begeben sich auf den Weg dorthin. Ihre Expertin, Mrs. Sato weiht sie in die Geheimnisse ein: „Die Geschichte des Tempels reicht weit zurück. Der Legende nach sollen drei Fischer im Jahre 628 eine 5 cm große goldene Kannon-Statue in ihrem Netz gefunden haben, die dann verehrt wurde. Im Jahre 645 errichtete der Priester Shōkai an der gegenwärtigen Stelle einen Tempel. 942 wurde der Tempel von Taira no Kinmasa, damals Awa-no-kuni no kami, wiedererrichtet. 1180 besuchte Minamoto no Yoritomo auf dem Wege von Shimōsa nach Kamakura den Tempel. Yoritomo holte später Handwerker vom Tempel nach Kamakura, um den Tsurugaoka Hachiman-gū zu errichten. In den Berichten darüber taucht zum ersten Mal der Flurname Asakusa auf. Der Tempel brannte 1642 ab, dann beim Kantō-Erdbeben und im Zweiten Weltkrieg, wurde aber immer wieder aufgebaut, zuletzt 1958, also vor über 60 Jahren.

Für den Abend hat der Anführer Plätze auf der MS Symphonie reserviert. Köstliches Menü vor dem Lichtermeer der Metropole. Ein großartiges Erlebnis. Mehr als 2 Stunden schippern die Zweibeiner auf der Tokioter Bucht. Sie lassen aber auch kein Highlight aus.

Am nächsten Tag öffnet der Japanische Himmel seine Schleusen. Es regnet in Strömen. Der Besuch des Fuji fällt erstmal aus. Stattdessen geht’s ins Samurai Museum – Programm in überdachten Häusern ist angesagt. Unsere Zweibeiner scheuen den Regen, so wie alle Menschen. Hätte auch gut ohne nass werden klappen können. Wäre da nicht Frau Sejo, deren Ortskenntnisse von Tokyo sich scheinbar in engen Grenzen bewegen. Nunja, Sie wollte ja heute eigentlich mit den Gästen zum heiligen Berg Fuji fahren. Glücklicherweise hat das der dicke, graue Kleine umgekrempelt. Richtig so, was sollen die da, wenn sie den Berg doch nicht sehen. Also die Gruppe irrt durch den strömenden Regen. Endlich wird der Anführer fündig. Also hinein ins Reich der Samurai. Waffen und Kleidung, die wertvollen Schwerter und Helme – alles fein säuberlich ausgestellt. Einige schlüpfen sogar in die Tracht der edlen Kämpfer. Also der Tag scheint gerettet.

Dann will der Anführer mit seinem Gefolge noch ins Robot Restaurant. Was das nun wieder sein soll möchte ich wissen? Es ist für mich auch gar nicht so leicht, der Truppe zu folgen. Immer wieder hetzen sie durch die Häuserschluchten, rein in einen schillernd bunten Eingang und hinten wieder raus. Warten bis der Graue irgendwelche Papiere austeilen kann und wieder rein in ein total verrückt aussehendes buntes Haus. Da komm ich als Kranich nicht rein, es gibt auch keine Fenster. Was nun? Ah…da sehe ich eine große bunt flackernde Wand (Großbildschirm nennen die deutschen Zweibeiner so etwas), dort wird gezeigt, was die Reisemenschen unten im Keller erleben. Extrem, fantastisch, irre – so werden sie ihre Eindrücke dort unten versuchen zu beschreiben. Es ist schwer die Skurrilität und Exzentrik des Ladens und der Roboter Show in Worte zu fassen. Wie ein LSD Trip, nur abgeschwächt. Aber kommt dem ganzen schon recht nah! Und fragt mich jetzt nicht, woher ich das weiß – Ich bin ein Kranich.

Das hat nun alle geschafft. Da es immer noch wie aus Gießkannen schüttet bringt die Eisenkutsche die Zweibeiner zurück ins Hotel. Hier ist heute noch ein Japanisches Buffet angesagt:  Schlemmen und von allen probieren, ein kleines Tokioter Abschiedsessen.

Blauer Himmel wölbt sich heute Morgen über die gigantische Metropole. Schon während des Frühstücks kann man den Fuji deutlich erkennen. Schnee glitzert in der Sonne, wie ein Gott erhebt sich der heilige Berg über dem Häusermeer. Da wollen die Zweibeiner heute noch hin. Früh am Morgen in Tokyo: alle rein in die Eisenkutsche und ab in Richtung Fuji. Immer näher kommt er, schön während der Fahrt haben die Reisemenschen wieder unzählige Bilder mit den künstlichen Augen eingefroren. Scheint neben Essen, Trinken und Wandern wohl deren Hauptlebenszweck zu sein. Nun, wenn es sie glücklich macht. Am Goldenen Blick, den schönsten Aussichtspunkt machen sie halt. 396 Stufen erklimmen sie für diesen einen Blick. Wieder Hunderte Perspektiven mit dem Künstlichen Auge ins Speicherregal gestellt. Ach – ich freue mich mit den lieben Zweibeinern. Mir sind sie ja wirklich so ans Herz gewachsen. Nun das erwähnte ich wohl schon.

Nun muss es schnell gehen, es wird zum Bahnhof geeilt. Im Vorbeifahren der riesige Kaiserpalast bestaunt und schon sind sie da. Der Shinkansen ist die Japanische Eisenschlange, rasend schnell bis zu 300 km pro Stunde. Natürlich belegen die Gäste wieder den Wagen mit den breitesten Sitzen, auch 1. Klasse genannt. Und schon geht’s los. Gerade einmal 90 Minuten braucht der Hakutaku 567 nach Nagano. Da kann ich nicht mithalten. Ich werde wieder die ganze Nacht fliegen müssen, damit ich sie wenigstens am Morgen wieder beobachten kann.

 Völlig erschöpft komme ich am nächsten Tag im Ryokan Kanbayashi Senbukaku an, kann nur ein klitzekleines Nickerchen machen, da kommen sie schon raus aus dem edlen Gästehaus. „Ach ist das schön“ höre ich eine der Zweibeinerdamen sagen. „Alles so leise und stilvoll, doch fremd und exotisch. Schiebetüren mit wertvollen Papier bespannt. Der Boden mit Tatami Matten ausgelegt und auf dem Boden konnte ich auch super schlafen. Und erst das Abendessen – ein Traum, ein Genuss ein Augenschmaus“ – sie kommen aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus. Ach ich freue mich, dass diese deutschen Reisemenschen unsere Japanische Kultur so schätzen und genießen. Das ist bei den meisten nämlich nicht ganz so. Deshalb lässt der Chef dieses Japanischen Edelgästehauses normale ausländische Gruppen gar nicht erst rein. Aber, wie sagt der kleine, dicke Graue immer: die Schumann Gäste sind eben die besten der Welt. Hatte sich wohl schon bis ins ferne Japan rumgesprochen.

 So langsam setzen sie sich nun auch in Bewegung – wollen die Rotgesichtmakaken, auch Schneeaffen genannt, besuchen. Ist auch nicht verwunderlich, ist schließlich Verwandtschaft der Zweibeiner. Im Jigokudani-Tal sollen sie leben und sogar Baden gehen. Die Japanmakaken machen es nämlich den menschlichen Zweibeinern nach und suchen Entspannung im Onsen. Meine Reisemenschen genießen schon die Wanderung durch den zauberhaften Wald. Und dann, tatsächlich die ersten rotgesichtigen Affen. Sie zeigen keinerlei Scheu vor den menschlichen Zweibeinern. Und verhalten sich auch durchaus menschlich. Kleine Babys kuscheln sich an die Mutter, Geschwister zanken und toben und die großen Männer genießen den Tag. Gegenseitig pflegen sie sich den dicken Pelz. Die Läuse müssen raus und landen….nun das ist nicht wie bei den Menschen, im Mund und werden genüsslich zerkaut. Wieder machen die Reisemenschen unerlässlich von ihren künstlichen Augen gebrauch. Schießen ein Foto, so nennen die Menschen diese eingefrorenen Erinnerungen, nach dem anderen. Doch die wichtigsten Bilder, so hat schon meine Kranichoma immer gesagt, bleiben einem für ewig im Kopf.

Auch am Nachmittag machen sich die Besucher auf den Weg. Trotz Nebel und Regen geht’s per Eisenkutsche zur großen Gondelbahn. Sie wollen hoch zur Sora Terrasse. Platz über den Wolken nennen die Einheimischen den Berg. Na ich flieg auch mal hin. Oben angekommen kann ich nichts erkennen, sehe meine Schwingen vor den Augen kaum. Doch dann reist es auf, die Gondel mit meinen deutschen Reisegästen schwebt ein. Wieder so ein magischer Moment zur genau richtigen Zeit. Es bietet sich, für Minuten nur, ein unbeschreibliches Panorama.

 „Einen wunderschönen guten Morgen an diesem sonnigen Tag. Ein goldenes Herbsterlebnis steht uns bevor. Wir machen uns auf die wohl spektakulärste Überquerung des Japanischen Alpenkamms. Wir reisen per Bus, Standseilbahn und Gondel, durchqueren 2 Tunnel und spazieren über die Staumauer des Kurobe Damms.“ Begrüßt der Anführer die Schumann Reisemenschen. Früh um 8 schon machen sie sich auf den Weg. Zunächst per Bus zum Kandentunnel. Hier steigen sie um in Elektrobusse und erreichen den Kurobe Staudamm. Inmitten einer faszinierenden Berglandschaft spiegeln sich bunte Laubbäume im See. Auf den höchsten Gipfeln glitzert der Schnee in der Sonne. Immer wieder neue Landschaftsbilder. Der Goldene Herbst – hier erlebt er seine Blüte.

Ein kleines Mittagessen, diesmal gibt es Japanisches Curry, nehmen die Reisenden am höchsten Punkt des Tages ein. Muroda liegt auf einem Hochplateau auf 2.450 m Höhe. Der Rundumblick ist phantastisch, einzigartig, atemberaubend. Von hier aus führt eine wagemutige Passstraße hinunter ins Tal. Blutroter Ahorn und goldgelbe Eichen, dazwischen uralte Zedern. Dichte Bergwälder prägen die Landschaft. Und am Abend? Da wird nochmal richtig geschlemmt. In den Japanischen Yukata gehüllt haben wieder alle an 2 langen Tafeln Platz genommen. Die überaus liebenswürdigen Gastgeber tragen reichlich auf. Das Menü lässt kaum Wünsche offen, eine Geschmacksexplosion – so werden die Zweibeiner ihr Erlebnis später beschreiben. Doch zu schaffen ist die Menge an Köstlichkeiten kaum. Da bleibt reichlich Genuss für die Mannschaft im Gästehaus, genüsslich sehe ich sie später gemeinsam speisen.

 Schon am frühen Morgen klettern sie wieder in ihre Eisenkutsche. „Die kleinen Dörfer um Shirakawa-go  waren über Jahrhunderte kaum zu erreichen. Völlig isoliert und abgelegen entwickelte sich eine eigene Kultur.  Der Anblick der Bergdörfer mit ihren dicht beieinanderstehenden traditionellen Häusern wirkt wie aus einem Märchen. Die Dächer erinnern an eine gefaltete Hand und sind meist dick mit Stroh eingedeckt. Heute gehört Shirakawa-go zum UNESCO Welterbe. Doch bevor die Reisemenschen auf Besichtigungstour gehen wird nochmals ordentlich geschlemmt. Dünn geschnittenes Nagano Rind und Saibling aus dem Bergfluss, Gemüse, Reis und Misosuppe. Ein paar Stunden in einer anderen Welt und Zeit.

Immer weiter gen Süden bringt sie die Eisenkutsche. Noch bevor die Sonne im Meer versinkt wird Kyoto erreicht. Im einzigartigen Four Seasons beziehen sie ihre großen und luxuriösen Nester.

 "Menschen besuchen Kyoto, um inneren Frieden zu finden", meint der buddhistische Mönch Zenyu Asano. Tatsächlich hat sich bislang keine andere Millionenstadt der Welt als Hort einer traditionellen Kultur so pur präsentiert wie die altehrwürdige japanische Kaiserstadt Kyoto mit ihren rund 2000 Schrein- und Tempelanlagen. Hunderte Landschafts-, Stein- und Sandgärten, etliche von Kennern als höchste Vollendung meditativer Naturarchitektur gerühmt, schufen eine unverwechselbare Idylle mit Schlössern und Palästen. In Kyoto hat das alte Japan die Zeiten überdauert. "Kyoto ist die Seele Nippons", schrieb vor knapp 5 Jahrzehnten der melancholische Poet Yasunari Kawabata, Japans bislang einziger Literaturnobelpreisträger.

Meine Reisemenschen machen sich also heute auf den Weg, die japanische Seele zu erkunden. Sie haben sich, wieder einmal, die absoluten Höhepunkte herausgepickt. Vom Fluss pilgern sie zum Kloster mit dem Bambuswald. Besonders beeindruckt der Tempel Kinkaku-ji. Das Bild des reich mit Blattgold verzierten Tempels spiegelt sich im Wasser des Kyōkōchi, des Spiegelteichs. Postkartenmotiv und Bild einer einzigartigen Harmonie.

 Die Burg Nijō war die Kyotoer Residenz der Tokugawa-Shogune, die Japan von 1603 bis 1868 für mehr als 200 Jahre regierten. Sie gibt noch heute ein beredtes Zeugnis ihrer Macht. Der breite Graben, die massiven Steinmauern sowie die schweren und doch kunstvollen Tore beeindrucken meine Zweibeiner sehr. Die Burganlage ist groß, es ist also wieder Wandern angesagt. Anmutige Gärten und Haine bestimmen das weitläufige Gelände.  Das Palastgebäude selbst ist imposant, bei näherer Betrachtung jedoch auch reich an feineren Dekorationselementen. Im Inneren des äußeren Palastes sind es vor allem die bemalten Wandschirme in der Hauptkammer, die beeindrucken. In diesem Raum gewährten die Shogune ihre Audienzen. Die Wandschirme wurden von Künstlern der Kano-Schule gemalt und arbeiten mit satten Farben und großen Mengen an Blattgold, um Blumen, Bäume, Vögel und Tiger darzustellen. Sie waren dazu gedacht, den Betrachter zu beeindrucken. Im Palast können die Gäste auch die berühmten „Nachtigallenböden" hören, die beim Betreten quietschen und damit jeden Eindringling an die Wachen verraten. Hier im Palast wurde 1868 die Abschaffung des Shōgunats in Japan und die Erneuerung der Macht des Tennō vollzogen. 1945 verlor er diese jedoch wieder, doch das ist eine andere Geschichte.

Die begehrteste und anscheinend wichtigste Sehenswürdigkeit Kyotos jedoch, ich weiß leider auch nicht weshalb, ist für meine Reisemenschen ein kleines Haus in Gion, unserem Altstadtviertel. Nein es ist kein Schrein auch kein besonders altes Haus. Es beherbergt ein Café. Es nennt sich Hard Rock Café Kyoto. In Wirklichkeit jedoch werden hier T – shirts, diese bunt bedruckten Unterhemden für viele Yen verkauft. Und diese machen glücklich – so scheint es mir. Das muss ich mir merken, unbedingt.

 

Am Abend fahren 8 Limousinen vor. Per Taxi ins Japanische Sushi Restaurant. Roher Fisch in allen Varianten wird aufgetragen. Sushi, Sashimi und dazu noch Frittiertes, auch Tempura genannt. Bier läuft reichlich durch die durstigen Kehlen. Dann kreisen Japanische Whisky Flaschen über die Tische. Ein schöner Abend, Beginn der Abschiedsfeierlichkeiten so scheint es mir.

Wieder wollen die Zweibeiner hoch hinaus. Wieder haben sie einen Eisenriesenvogel mit rotierenden Flügeln bestellt. Und wieder bringt dieser die Gäste in luftige Höhen. Sie schweben, uns Kranichen gleich, über Kyotos Tempel und Burgen, Schreine und Häuser. Manche von ihnen nehmen schon Abschied vom Land der aufgehenden Sonne. Denn bald werden sich meine Lieblingszweibeiner trennen. Und auch ich kann dann nicht mehr weiter mitkommen. In München ist es mir viel zu kalt und nach Okinawa wird es auch zu weit. Da ist Hochsommer und das mag ich als Kranich gar nicht gern. Doch noch ist es nicht soweit.

 Den Tag verbringen die Reisemenschen mit allerlei Vergnügungen. Nochmals Tempel bestaunen oder Museum besuchen. Durch Gion spazieren oder im Four Seasons entspannen.

Erst am Abend sehe ich sie alle ins Restaurant spazieren. Alle haben besonders hübsche Federn angelegt. Wieder wird ein Festmahl aufgetragen. Mit einer köstlichen Suppe aus Kastanien und Foie gras (das ist die Leber meiner Verwandten, den Gänsen und Enten – ich finde das gar nicht nett) beginnt das Menü. Wagyū-Rind wird als Hauptgang serviert. Ich als Kranich esse ja kein Rundfleisch, doch den Zweibeinern läuft das Wasser im Schnabel zusammen, so köstlich muss es wohl sein. Das zu ein wunderbares Dessert und reichlich Wein. „Wir haben uns heute für einen Riesling aus dem Elsass und einen Pinot Noir aus dem Burgund entschieden“ höre ich den Anführer erklären.

 Und dann geht es um Abschied. Die ersten fliegen am frühen Morgen nach Haus. Auch ich werde in Kyoto zurückbleiben. Schade, denn meine deutschen Reisemenschen habe ich richtig in mein Herz geschlossen. Vielleicht kommen sie ja wieder – der kleine, dicke Graue bestimmt. Der wurde hier auch des Öfteren schon ausgemacht.

Übrigens reist der Anführer mit 20 seiner Schützlinge nach Okinawa weiter. Da wo es Sommer ist das ganze Jahr. Dort wohnt meine Großnichte, väterlicherseits. Sie heißt Veronika und ist eine Rauchschwalbe. Ganz früher lebte sie in Deutschland am Storchennest. Doch dann, vor 2 Jahren etwa, blieb sie in Okinawa. Des schönen Wetters und der Liebe zu einem Japanischen Rauschschwalberich wegen. Ihr gebe ich jetzt Bescheid. Sie wird mir von den Geschehnissen dort berichten.

 

Meine liebe Großtante Edeltraud,

wie gewünscht überwache ich die Aktivitäten deiner lieben Gäste um den grauen, kleinen Dicken. Pünktlich segele ich am Flughafen Niho auf Okinawa durch die Ankunftshalle. Und tatsächlich, da kommen sie. Ein wenig zerknittert, doch ansonsten ziemlich gut gelaunt. Wie von dir vorausgesagt hat der dicke, kleine Graue noch immer das Kommando über die Reisemenschen. Draußen wartet schon ein Okinawese oder heißt das Okinawaer. Ich weiß nicht so recht, lebe ja erst kurze Zeit hier auf der Insel. Jedenfalls fährt eine Eisenkutsche vor. Doch der Anführer palavert noch mit Zweibeinern der Riesenkraniche, eine Transportkiste einer Reisedame hat wohl Schaden genommen. Die haben aber auch große Kisten. Würden ganze Schwalbenschwärme reinpassen. Naja möchte ich aber auch nicht drin reisen. Wie auch immer, ein paar dieser bedruckten japanischen Zettel bekommen die Besitzer der beschädigten Transportkiste dann doch. „Als Kompensation“ so meint der JAL Angestellte. „Mehr von dem Geld hätte er nicht dafür“ meint er weiter. Nun gut, um keinen Streit vom Zaun zu brechen willigen alle ein und so können sie mit der Eisenkutsche los. Das Ritz Carlton, wieder einmal (auch das sagtest Du liebe Edeltraud ja voraus) das beste und teuerste auf der ganzen Insel. Schon sind sie da und beziehen ihre geräumigen Nester. Zum Abendessen werden kleine Schnitzelchen aufgetragen – vom Okinawa Schwein. Das muss was ganz besonderes sein. Nun den nächsten Tag gehen die lieben Gäste verschiedene Wege. Manche wandern zum Strand und baden im Meer (scheint gefährlich zu sein, denn andere als unsere Reisemenschen sehe ich nicht drin planschen), andere werden mit einer Hoteleisenkutsche an einen ganz verlassenen Küstenabschnitt kutschiert (wollte das Ritz die etwa ärgern?) und wieder andere baden im Pool (obwohl doch verboten). Das mit dem verbotenen Pool will der Anführer gar nicht verstehen. Bis zum Hotelanführer arbeitet sich seine Beschwerde vor. Und tatsächlich – fortan ist der Pool offiziell legalisiert und das Wasser geprüft.

„Ich darf Ihnen heute Morgen unseren Okinawa Experte Dominik vorstellen. Ein Wandelnder zwischen den Kulturen. In Düsseldorf geboren und aufgewachsen, hat er Japanologie studiert und ist in Okinawa hängen geblieben, der Liebe wegen“ stellt der Anführer den sympathischen jungen Mann in der Eisenkutsche vor. Der Liebe wegen, so so denke ich mir. „Ja die Japanischen Frauen sind niedlich und lieb. Doch nach der Hochzeit schlägt das um. Dann hat die Frau zu Hause die Hosen an. Nun ich kann damit gut leben“ berichtet Dominik den interessierten Reisemenschen. Und er zeigt ihnen viel von seiner neuen Inselheimat. Das Inselchen mit den Herzfelsen und das riesige Aquarium – da schwimmen sogar zwei Walhaie im gläsernen Tank. Sie wandeln auf der Allee der Glücksbäume und genießen den Strand. Mit einem Eisenfisch schippern sie zu unbewohnten Inseln hinaus. Nicht allen zur Freude, wie mir scheint. Dort angekommen genießen sie die Zeit. Bier und Whisky fließen reichlich. Auf dem Grill brutzelt feines Fleisch. Die Zweibeiner aalen sich im kristallklaren Meer, mit und ohne Verkleidung ganz nach Bedarf. Mit drei komischen Stöcken holen sie bunte Fische aus dem Wasser und werfen sie gleich wieder rein. Sie genießen die Zeit, das kann ich ganz genau sehen.

 Und dann ziehen sie weiter. Die große Eisenkutsche fährt noch einmal vor. Riesige Kisten voller Gefiederkleider werden verstaut und ab geht´s zum Platz der wirklich großen Eisenvögel. Da steigen sie hinein. Und kurz darauf entschwinden sie im Himmel von Okinawa. Du kannst sie vielleicht in Tokyo nochmal kurz sehen. Denn von da aus fliegen Sie mit einem Riesenkranich weiter. Ich und Du wir können ihnen nun nicht mehr folgen. Zu hoch und zu weit, viel  zu weit. Mögen die Shintō Götter und Geister mit den Schumann Reisemenschen sein. Mögen sie gesund ihr Heimatnest erreichen. Und nun wird mir ganz wehmütig um mein großes Schwalbenherz. Ich werde sie vermissen, Du liebe Edeltraud doch bestimmt auch – die Zweibeiner und ihren verrückten Anführer. Mögen Sie wiederkommen in das Land der Aufgehenden Sonne.

 

さようなら – Sayōnara – Auf Wiedersehen

健康を保つ - Kenkō o tamotsu – Bleiben Sie schön gesund

Es danken Ihnen Yoshikawa der stolze Kranich und Veronika die zugezogene Rauchschwalbe aus Okinawa.  

 

 

 

 

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