Hamburger Sommernächte
Sommertage im Hotel Atlantic
Sonntag: Los geht's
Am frühen Sonntagmorgen beginnt unsere Reise mit einem zünftigen Landfrühstück. Frische Thüringer Wurst begleitet uns auf den ersten Kilometern – ein kleiner Vorgeschmack auf die langen 500 Kilometer, die vor uns liegen. Aber das wussten wir ja - und voller Vorfreude auf Hamburg fühlte sich die Strecke schon ein bisschen kürzer an. Während in der Heimat graue Regenwolken unermüdlich ihr Werk taten, öffnete sich über Hamburg ein strahlend blau-weißer Himmel. Wie zur Begrüßung schickte uns die Stadt ihr schönstes Licht. Ein erster kurzer Halt an den Landungsbrücken – und schon hatten wir die ersten Sonnenbilder im Kasten, die wir mit einem Schmunzeln an die, im Regen, Daheimgebliebenen schickten.
Dann stand auch schon der erste offizielle Höhepunkt an: die Führung durch das Hamburger Rathaus. Welch ein Glücksfall, dass unsere Führerin nicht nur ein wandelndes Lexikon der Stadtgeschichte war, sondern auch gelernte Schauspielerin. Und das merkte man mit jeder Geste, jedem Wort. Sie sprach nicht einfach über das Rathaus – sie lebte es. Mal ließ sie uns die prunkvollen Säle wie eine Bühne erleben, mal schlüpfte sie gedanklich in die Rolle hanseatischer Senatoren, die hier vor über hundert Jahren das Haus erbauen ließen. Mit leuchtenden Augen, funkelnder Stimme und einer Freude, die ansteckend war, nahm sie uns mit auf eine Reise durch Vergangenheit und Gegenwart des Hauses. Die prunkvollen Säle, die kunstvollen Decken, die langen Gänge – alles schien durch ihre Begeisterung noch größer, noch schöner, noch eindrucksvoller. Wir hingen an ihren Lippen, lachten, staunten, fühlten uns fast wie Ehrengäste im Herzen der Hansestadt. Und am Ende fast ein wenig enttäuscht, dass die Zeit so schnell verging.
Unser müdes Haupt durften wir für die kommenden drei Nächte im legendären Hotel Atlantic betten – direkt an der Alster gelegen. Schon beim Einchecken umwehte uns ein Hauch Geschichte und Glamour. Vielleicht, so hofften einige insgeheim, würden wir Udo Lindenberg in der Lobby oder an der Bar begegnen. Udo war es am Ende leider nicht, aber Charles Brauer war mit uns zu Gast hier. Zum Abendessen kehrten wir in die „Schifferbörse“ ein – ein uriges Hamburger Lokal, das noch den Geist vergangener Zeiten atmet. Man spürt förmlich, wie hier einst Frachten nach Amerika verhandelt und neue Steuermänner und Matrosen angeheuert wurden. Mit herzhaften Spezialitäten und fröhlichem Stimmengewirr klang unser erster Abend in Hamburg aus.
Montag: Hafen, Himmel und Geigen
Ein Frühstück im Atlantic mit Blick auf die Alster – die Sonne schiebt die Reste des Nachtregens beiseite, als wolle sie uns den Tag vergolden. Doch die Nachrichten klingen dramatisch: Sturm auf der Nordsee, erste Fährverbindungen fallen aus. Auch die Aida kann nicht auslaufen. Tja, Pech gehabt. Unser Bus fährt- und zwar Richtung Hafen. Wir wagen uns todesmutig auf eine kleine Barkasse, die uns durch den Elbhafen schippern soll. Zur Sicherheit verteile ich Tabletten gegen Seekrankheit, und eine Runde Schnaps wandert vorsorglich in meine Handtasche. Man weiß ja nie. Doch alles ging gut. Zwar hüpfte unser Boot lebhafter über das Wasser als sonst, doch die milde Septemberluft, das Tosen der Wellen und die majestätischen Silhouetten der Ozeanriesen über uns machten daraus ein unvergessliches Erlebnis. Gischt schäumte um den Bug - wie Flocken von Schnee – wie war das gleich mit John Maynard und dem Eriesee??? Nach dem Hafen gleiten wir durch die Kanäle der Speicherstadt, blicken auf die stolze Elbphilharmonie, die an der Kehrwiederspitze wie ein modernes Märchenschloss thront. Ein Abstecher in den alten Elbtunnel folgt – Geschichte zum Durchschreiten. Dann, in der warmen Sonne, ein kurzer Halt: auf einer Bank am Elbufer, ein Matjesbrötchen in der Hand, den Blick in die Ferne schweifend. Glück kann so einfach sein.
Zurück auf dem Weg ins Atlantic machten wir noch Halt am Michel. Gerade rechtzeitig kamen wir hinein, um die letzten Klänge des Orgelspiels auf uns wirken zu lassen – ein fast himmlischer Moment. Vom Turm bot sich uns ein weites Panorama über Hamburg. Der Sturm kündigte sich hier oben schon spürbar an und aus der Ferne grüßte die Elbphilharmonie: "ich erwarte euch heute Abend". Und dann war es soweit: elegant gekleidet schweben wir durch das Foyer des Atlantic in den Bus und los geht's zur Elbphilharmonie. Mit der Rolltreppe gleiten wir hinauf in die 8. Etage, wo uns ein Abendessen und ein Gläschen Wein auf das Konzert einstimmte. Dann, pünktlich um 20 Uhr, hob sich der Taktstock. Der neue Dirigent der Hamburger Philharmoniker gab sein Debüt. Mit Werken von Beethoven und Bruckner füllte sich der Saal mit Klangwogen, die uns zwei Stunden lang in den Bann zogen. Der Blick auf das unter uns sitzende Orchester ließ uns die Musiker hautnah erleben, wir fieberten mit, als dem Schlagzeuger der Stock aus der Hand fiel und ob der Triangelspieler seinen einzigen Einsatz des Abends hoffentlich nicht verpasst. Und wann hat man schon mal Gelegenheit, einen Dirigenten, der bis an seine Leistungsgrenze geht, von Angesicht zu Angesicht zu bewundern? Ein unvergesslicher Abschluss eines Tages, der uns alle tief berührte und hoffentlich noch lange in Erinnerung bleibt.
Dienstag: Pladderwetter und Gewürze
Der erste Herbststurm ist angekommen und hat Hamburg fest im Griff. Wind und Regen lässt uns den geplanten Spaziergang durch die Speicherstadt kurzerhand ins Gewürzmuseum verlegen. Warm und trocken sitzen wir hier und lauschen den Erzählungen des alten Kaufmanns. Interessante Einblicke in die Welt des Würzens bringt so manche Dame unter uns auf neue kulinarische Ideen. So wandern bisher unbekannte Gewürze in die Taschen, zum selbst ausprobieren oder als Geschenk- Weihnachten ist ja nicht mehr weit... Ein Zimtkaffee weckt unsere Lebensgeister - und auf geht es zum nächsten Erlebnis. Mitten im heftigen Regenguss springen wir auf unser Schiff und sitzen im Trockenen, als es dann mit Dampf über die Alster geht. Der Kapitän erzählt uns mit Esprit und Witz Neuigkeiten und alte Geschichten aus der Hansestadt. Regen, auf norddeutsch Pladderwetter, und Sonne wechseln sich ab, als wir gemächlich durch die Seitenarme der Alster fahren. Aber wie sagen die Hamburger: " wir haben hier nur 3 Jahreszeiten, Regen, Schietwetter und Hamburger Sommer, da regnet's dann warm". Und irgendwie war der Tag trotz Planänderungen und Mistwetter ein lustiger und schöner Tag. Wir pendelten zwischen unseren Ausflügen mit dem Bus immer wieder auf eine kurze Pause in unser Hotel zurück, wechseln nasse Schuhe oder Jacken und weiter geht es. Wir lassen uns doch nicht schon vom ersten Herbsttag des Jahres die Stimmung verderben... Unseren letzten Abend verbringen wir im Restaurant Portolino direkt an der Alster. Bei einem leckeren Abendessen und herzlichen Gesprächen vergeht die Zeit viel zu schnell, wie überhaupt die ganzen letzten Tage.
Mittwoch: Ein Abschied mit Apfelduft
Schweren Herzens schleppen wir die Koffer in die Lobby. Sind wir nicht gerade erst angekommen? Aber ehe es nach Hause geht, führt uns ein letzter Abstecher ins alte Land.
Wir fahren durch ein weites Mosaik aus grünen Deichen und endlosen Obstplantagen. Im sanften Septemberlicht hängen die Äpfel rot und goldgelb an den Bäumen, als hätten sie sich mit buntem Schmuck behängt. In Jork besuchen wir einen Apfelhof. Die Obstbäuerin empfängt uns mit einem herzlichen „Moin“ und Sonnenschein. Voller Stolz erzählt sie vom arbeitsreichen Weg bis zur Ernte und von Sorten mit klingenden Namen wie Santana, Herbstprinz oder Holsteiner Cox. Wir kosten verschiedene Apfelsorten – knackig, saftig, süß. Fast riecht man schon den Apfelkuchen, der daraus werden könnte. Und so ging eine Reise zu Ende, die uns allen hoffentlich lange in Erinnerung bleiben wird. Hamburg zeigte sich mit all seinen Facetten – vom Sonnenschein bis zum Herbststurm, von hanseatischer Geschichte bis zu musikalischen Höhenflügen. Doch das Schönste war: wir erlebten all das gemeinsam. Es war eine wunderbare Gruppe, die mit Offenheit, Humor und guter Laune unterwegs war. Wir haben miteinander gestaunt, gelacht, genossen – und uns immer wieder gegenseitig angesteckt mit Begeisterung. Für mich war es eine Freude, Sie zu begleiten, und mehr noch: Sie haben mir die Arbeit zum Vergnügen werden lassen.
Mit einem herzlichen Dank an Sie alle sage ich: auf bald – vielleicht bis zur nächsten Reise.
Ihre Katrin