Herbst(regen)-Zeit am Lago Maggiore
Abenteuer Lago Maggiore (im Dauerregen)
Donnerstagmorgen, kurz nach Mitternacht werden die ersten meiner Reisegäste aus dem Tiefschlaf geweckt. Bei einigen steht der Chef, Thomas Schumann, höchstpersönlich als Fahrer vor der Tür. Der frühe Vogel fängt den Wurm, heißt es so schön, denn wir haben einiges vor. Unser Ziel ist Stresa am Lago Maggiore. Mit einem guten Frühstück starten wir, bald zieht Kaffeeduft durch den Bus. Eric, unser Busfahrer, fährt professionell durch den morgendlichen Berufsverkehr Richtung Süden.
Wir kommen gut voran, kein Stau in Sicht. Mit einem Bier oder einem Glas Sekt in der Hand fahren wir am Bodensee vorbei, durch Österreich und bewundern die Schweizer Berge. Die Fahrt zieht sich schon ganz schön dahin, mit einem Blech voll selbstgebackener Muffins und Kaffee versucht unsere Reiseleiterin Katrin die Stimmung am nachmittäglichen Tief zu heben. Das hat gut geklappt.
Pausen gehören auch dazu und so lernen wir unterwegs auch tolle Toiletten auf Raststätten in 3 Herren Ländern kennen. Auf den kurvenreichen Straßen am Rande des Lago Maggiore gibt Eric alles, hupt wie ein waschechter Italiener vor den Kurven und voller Vorfreude auf schöne Urlaubstage kommen wir in Stresa an.
Freitag - unser zweiter Tag
Es gibt Tage, die beginnen mit Sonnenschein und Vogelgezwitscher, und dann gibt es Tage, die mit Platzregen und Pfützen starten. Der Freitag war so ein Regentag. Mit Regenjacken und Schirmen, in allen Farben bewaffnet, wir bedauerten, keine Gummistiefel und wasserfeste Ganzkörperanzüge eingepackt zu haben, bestiegen wir unser Schnellboot in Stresa. Unsere erste Station war die Isla Madre, die größte der Borromäischen Inseln. Kaum war der Fuß an Land gesetzt, begann das große Schirm-Management: versteckt unter den Schirmen versuchten wir, den Pfützen auszuweichen und trotzdem noch den ein oder anderen Blick auf die üppige Vegetation um uns herum und auf den Palast zu werfen. Und natürlich sollte keinem Mitreisenden mit dem Schirm ein Auge ausgestochen werden. Unsere Reiseleiterin Katrin brachte uns mit energischem Voranschreiten schließlich an den Eingangsbereich des Palastes. Der Palast selbst bot ein faszinierendes Sammelsurium aus Kunst und alten Möbeln - und vor allem war er war trocken. Selbst die Pfauen, die sonst stolz und königlich durch die Gärten der Insel flanieren, verfallen bei diesem Regenwetter in kollektive Panik und suchen Schutz unter Bäumen, Statuen und Bänken. Unsere nächste Etappe führte uns auf die Isola dei Pescatori, die Fischerinsel. Der Platzregen hatte sich zwar zwischenzeitlich in Nieselregen verwandelt, doch trotzdem sicherten sich die meisten von Ihnen lieber ein warmes Plätzchen bei einer Tasse Cappuccino oder einem warmen Süppchen. Frisch gestärkt, wenn auch um einige Euros ärmer, machten wir uns auf den Rückweg zum Boot. Letzte Station des Tages war die Isla Bella, bekannt für ihren prächtigen Palast und dem beeindruckenden Garten. Wir wanderten auf Napoleons Spuren, der hier übernachtete und schritten durch den Ballsaal, in dem schon Lady Di tanzte. Und oh Wunder, ohne Regenschirm konnten wir noch eine Runde durch die wunderbaren Parkanlagen drehen.
Nach einem Tag voller Regen in allen Varianten, aber auch trockenen Lichtblicken zwischendurch, bestiegen wir das Schnellboot zurück nach Stresa. Mit leicht durchnässten Schuhen und Jacken, aber fröhlichem Gemüt, nahmen wir Abschied von den tollen Inseln.
Samstag - Unser dritter Tag
Eine Reise mit der Centovallibahn – das klingt romantisch: von Locarno in der Schweiz, durch die verwinkelten Täler bis nach Domodossola zurück nach Italien, vorbei an verträumten Dörfern und unberührten Landschaften, perfekt für Fotos und schwärmerische Erzählungen. Doch dann öffnet der Himmel seine Schleusen und aus der erhofften Postkartenidylle wird eine Fahrt im Aqua Parc des Tessins. Schon beim Einsteigen dampfen die Fensterscheiben. Alles, was draußen zu sehen ist, sind gespenstische Schemen – Bäume, die wie Schattenriesen an uns vorbeifliegen, Flüsse, die jetzt plötzlich alle wie Hochwassergiganten wirken und steile Felswände, die im Regen wie glitschige Wasserrutschen glänzen. Die Schweiz und Italien verschwimmen zu einem einzigen wassergetränkten Kunstwerk. Natur pur, allerdings in sehr, sehr nass. Im Zug selbst spielt sich ein ganz anderes Drama ab. Deprimierte Urlauber müssen wieder aufgebaut werden. Glücklicherweise ist eine Flasche Obstler an Bord, der wieder etwas Lebensfreude und gute Laune zaubert. Und schon haben auch die Wolken, die regenschwer im Tal hängen, einen mystischen Zauber. Endlich, in Domodossola angekommen, bleibt die Erkenntnis: Mit der Centovallibahn im Regen unterwegs zu sein, das ist keine Zugfahrt – das ist eine Abenteuertaufe für alle, die sonst nur bei Sonnenschein unterwegs sind. Und wer weiß, vielleicht ist der Regen am Ende auch nur eine Einladung, die Bahn ein zweites Mal zu nehmen – auf der Suche nach dem legendären Tessiner Sonnenschein.
Sonntag - unser vierter Tag
Ein Spaziergang im Botanischen Garten der Villa Taranto nach 48 Stunden Regen. Es war ein denkwürdiger Tag, als sich unsere tapfere Reisegruppe nach zwei Tagen Dauerregen aufmachte, die botanische Pracht der Villa Taranto zu erkunden. Der Wetterbericht hätte realistischer nicht sein können – Regen, Regen, Regen. Und er hielt sich auch konsequent daran.
Unseren Zugang zum Park mussten wir uns erst erkämpfen. Die Dame am Ticketschalter nahm doch wirklich an, das bisschen Regen würde uns regenerfahrene Kampfgruppe von der Besichtigung abhalten. Aber wir blieben standhaft und die Dame gab nach. Als erstes fiel uns die dezente Dekoration im Park auf, die eine Art Hommage an Noah und seine Arche zu sein schien: riesige Pfützen, die fast wie kleine Seen wirkten, vollgesogenes Moos, das sich weich wie ein Schwamm an unsere Füße schmiegte und hier und da schien sogar ein Fisch über die Wege zu huschen. Verdrossen stapften wir durch den Park. Und um ehrlich zu sein, „stapfen“ war wohl eine Untertreibung. Die Szene glich mehr einem Balanceakt zwischen Komödie und Wassergymnastik, denn jeder Tritt auf dem nassen, mit Laub bedeckten Weg, war ein Glücksspiel. Doch was ist ein Spaziergang im Regen ohne die passende Belohnung? Gerade als wir uns resigniert mit dem Gedanken angefreundet hatten, klitschnass und deprimiert wieder in den Bus einzusteigen und ins Hotel zurückzufahren, erbarmte sich Petrus und stellte endlich den Wasserhahn ab. Plötzlich erschienen selbst die Pfützen wie glänzende Juwelen im satten Grün, die Schirme wurden eingepackt, die Gespräche wurden munterer und wir konnten den Blick auf den herbstlichen Park genießen. Und so wandelten wir weiter durch die tropischen, dicht bepflanzten Pfaden, mit einem leicht übermütigen Gefühl, das nur ein Gartenspaziergang nach einem biblischen Regen hervorrufen kann. Der Nachmittag endete mit einer Überraschung. Nach 2 Tagen endlosen Regens wollten wir sie ersten trockenen Momente des Urlaubs auch genießen. Also fuhren wir kurzerhand mit der Fähre auf die Ostseite des Lago Maggiore nach Laveno. Und während es auf der Westseite noch regnete, spazierten wir im Trockenen, bummelten die Seepromenade entlang oder genossen ein leckeres Eis. Die ganz unerschrockenen machten sich auf, um mit einer Seilbahn in offenen Biotonnen den Monte Sasso del Ferro zu erobern. Wir hatten die Wahl, eine offene Tonne oder eine Tonne mit Deckel zu nehmen, zwar mit Fenster, aber trotzdem nur für jene geeignet, die keine Probleme mit Klaustrophobie haben.
Langsam schwebten wir über die Baumwipfel nach oben, der Lago Maggiore lag unter uns, in dieser Pracht zeigte er sich uns das erste Mal. Welch ein grandioser Anblick. Zwar noch eingerahmt von Wolkenschleiern, entschädigte dieser Blick die Entbehrungen der letzten Tage. Oben angekommen belohnten wir uns für unseren Mut mit köstlichen Getränken. Und auf der Rückfahrt zeigte sich Laveno im Hauch der untergehenden Sonne. Jetzt wissen wir endlich, wie schön Urlaub am Lago Maggiore sein kann.
Montag – unser fünfter Tag
Panik bricht in unter den Reisenden aus. Sonne. Schon am Morgen. Die Sonnencreme ist weg. 3 Tage nicht gebraucht und jetzt unauffindbar. Hoffentlich verbrennt unsere sonnenentwöhnte Haut heute nicht. Außerdem haben wir Probleme unsere Füße, an denen sich bereits Schwimmhäute bilden, in unsere Sommerschuhe zu zwängen. Und dem Schirm müssen wir beruhigend zureden, er versteht es nicht, dass er heute nicht mit darf. War er doch die Hauptperson in den vergangenen Tagen. Nach drei Tagen unaufhörlichen Regens war es soweit. Der Himmel riss auf, und die Sonne begrüßte uns mit strahlendem Licht – der erste klare Tag unserer Reise. Diese Wetterwende setzte bereits die perfekte Stimmung für die Busfahrt von Stresa nach San Giulio, einem malerischen Ort am Ortasee. Unsere Reisegruppe versammelte sich in Stresa und als der Bus sich in Bewegung setzte, ließen wir den zauberhaften Lago Maggiore hinter uns und fuhren durch die sanften Hügel des Piemont. Die klare Sicht erlaubte einen weiten Blick auf die üppig-grüne Landschaft, die durch den Regen der vergangenen Tage intensiv leuchtete. Der Weg führte uns durch kleine Dörfer und vorbei an Weinbergen, die sich in sattem Grün und Gelb zeigten – die Farben Italiens schienen an diesem Tag besonders lebendig. Und während unsere Reiseleiterin damit beschäftigt war, uns die Höhepunkte der Fahrt zu schildern, waren die Reisenden damit beschäftigt, die Sonnenbrillen zu suchen, die seit Tagen nicht mehr benötigt wurden und in den Untiefen der Handtaschen verschwunden waren. Angekommen am Ortasee, erkundeten wir San Giulio, das versteckt auf einer kleinen Insel liegt und mit seiner romantischen Kulisse an ein Märchen erinnert. Wir hatten Zeit, durch die engen Gassen zu schlendern, die Ruhe des Sees zu genießen und die historischen Bauten zu bestaunen. Die Basilika von San Giulio und die alten Villen entlang des Wassers ließen uns tief in die Atmosphäre dieses besonderen Ortes eintauchen. Nach dem Besuch von San Giulio ging unsere Fahrt weiter nach Ghemme, einer Region, die für ihre Weine bekannt ist. In einem gemütlichen Weingut angekommen, wurden wir mit offenen Armen empfangen und zur Verkostung eingeladen. Nach einer Besichtigung des Weingutes führten uns die Gastgeber durch eine Auswahl typischer Weine der Region, darunter Nebbiolo und Ghemme, die für ihre samtigen Tannine und reifen Fruchtaromen geschätzt werden. Jede Kostprobe des Weines wurde von einer leckeren Kostprobe von Salami, Schinken und Käse begleitet, was das Erlebnis bereicherte und uns das Piemont von einer sehr genussvollen Seite näherbrachte.
Mit einem letzten Blick auf die von der Sonne angestrahlten Weinberge beendeten wir diesen unvergesslichen Tag. Die Sonne, die Landschaft und der Geschmack der italienischen Weine machte den letzten Tag zu einem Höhepunkt unserer Reise – eine Erinnerung, die wir mit Freude zurück nach Hause bringen.