Norwegen: Fjorde, Fells und Mee(h)r
VON KIEL BIS ZUM NORDKAP – EINE REISE PER SCHIFF, BAHN UND MANCHMAL AUCH ZU FUSS
Es wird Zeit – denn es sind schon wieder zwei Jahre vergangen, dass ich Norwegen besuchte. Damals, im Sommer 2023, fuhr ich zum ersten Mal mit einem der neuen Schiffe, die auf der Küstenroute, auf der Hurtigruten unterwegs sind. Die Reederei heißt HAVILA und hat sich einer möglichst ökologischen Art verschrieben, die Norwegische Küste zu befahren. Die Schiffe treiben Elektromotoren an. Wahlweise liefert Gas oder der riesige Akku den notwendigen Strom. Zu den Mahlzeiten wird es vermieden, Abfall zu produzieren. Der Besuch im Restaurant gestaltet sich wie eine kleine kulinarische Reise. Es gibt verschiedene kleine Köstlichkeiten, die jeder zu seinem Menü kombinieren kann. So kann man viele verschiedene Leckereien probieren und nichts landet im Abfall. Nach dieser Reise vor zwei Jahren war die Entscheidung schnell getroffen, Havila – das wird unsere Partnerreederei, wenn es um die Schiffsreisen in Norwegen geht. Hurtigruten auf grünem Wege. Schon im letzten Jahr konnten wir unsere Gäste begeistern. Reisen im Winter, Frühling und Sommer – überwältigendes Naturkino. Nun wollte ich selbst dabei sein, erleben wie die Gäste diese Reisen empfinden. Gelingt es uns gemeinsam mit HAVILA, die anspruchsvollen Schumann Gäste zu begeistern?

Brrrrrr…der Wecker klingelt früh auf dem Weg nach Norwegen. Mit der Color Line von Kiel nach Oslo, das ist die komfortabelste Möglichkeit, nach Norwegen zu kommen. Es ist ein Sonntag, schneller als geplant erreichen wir Kiel. Color Magic, so heißt unser Schiff, liegt schon am Oslokai. In knapp 2 Stunden, um 13.15 können wir einsteigen. Unser Gepäck können wir im Terminal abstellen, so bleibt Zeit für einen Spaziergang an der Kieler Förde. Auch schön – und für ein Bier reicht es auch.
Die Color Magic erinnert eher an ein Luxuskreuzfahrtschiff, denn an eine simple Fähre. Die Ausmaße beeindrucken. Im Hinblick auf die Anzahl der Fahrzeuge und Passagierkabinen gilt sie als größtes Fährschiff der Welt. An Bord fühlt man sich wie auf einer Piazza mit Bars, Shops und Restaurants. Legendär sind schon immer die Skandinavischen Buffetts an Bord. Auch diesmal – einfach eine Wucht. Lachs in allen Variationen, Hering, Kabeljau – Roastbeef und Pastetchen, all das und noch viel mehr. Das Feinschmeckerherz hüpft. Ein großartiger Auftakt unserer Reise.
Am Morgen versammeln wir uns alle auf dem Sonnendeck, fast alle. Ein strahlend blauer Himmel wölbt sich über dem Oslofjord. Kleine Inselchen „schwimmen“ wie kleine Farbtupfer im blauen Meer, Die Ufer sind bewaldet, dann kommt die Hauptstadt in den Blick. Hoch oben „schwebt“ die große Holmenkollen Schanze. Norwegen – wir kommen an.
Das Oslo Freilichtmuseum (Norsk Folkemuseum) auf der Halbinsel Bygdøy ist eines der größten Freilichtmuseen Europas und präsentiert rund 160 historische Gebäude — von Bauernhöfen über Stadtvillen bis zur imposanten Gol-Stabkirche aus dem 13. Jahrhundert. Hier schauen wir uns als erstes um. Ein Spaziergang in die Norwegische Vergangenheit. Wir können traditionelle Handwerkskunst, Folklore, samische Kultur und lebendige Alltagsszenen erleben, die vom 16. Jahrhundert bis zur Moderne reichen. Dann folgt der ultimative Blick auf Oslo – vom höchsten Punkt der Holmenkollen Schanze. Mit Schnaps und Gruppenfoto, versteht sich.
Mit der prächtigen Aussicht geht es am Abend weiter. Die Terrasse des Munch Museums, auch als „Kranen“-Skybar bekannt, liegt auf dem 13. Stockwerk und bietet eine spektakuläre Aussicht über den Oslofjord, die Oper und die Skyline von Bjørvika. Hier feiern wir den Auftakt in Norwegen. Spektakulär, überraschend und kulinarisch.
Der nächste Tag hält zwei einzigartige Bahnfahrten für uns bereit. Am Morgen starten wir mit der Bergenbahn ins Gebirge. Die Hardangervidda ist Europas größtes Hochplateau und Norwegens größter Nationalpark – etwa 3 422 km² geschützt, im Schnitt 1 100 m hoch mit baumlosem, arktisch geprägtem Tundra-Gelände, durchzogen von Seen, Flüssen und Mooren. Die Landschaft variiert deutlich zwischen dem westlichen, gebirgigeren und feuchteren Teil und dem östlichen, flacheren und kontinentaleren Abschnitt. Immer wieder neue Landschaftsbilder. In Myrdal steigen wir um. Die nächste spektakuläre Bahnfahrt erwartet uns. Die Flåmbahn (Flåmsbana) ist eine atemberaubende Panoramabahn, die in rund einer Stunde die rund 20 km vom hoch gelegenen Myrdal (867 m) hinab zur Fjordgemeinde Flåm an der Aurlandsfjord bewältigt – mit einer der steilsten Steigungen (bis zu 55 ‰) auf einer europäischen Normalspurstrecke. Sie gilt als eine der weltbesten und grandiosesten Zugstrecken, führt durch enge Schluchten und Tunnel und an tosenden Wasserfällen vorbei. Am größten halten wir, der Kjosfossen rauscht aus mehr als 225m hinab – im freien Fall fast 100m. Großartig: sogar mit einer waschechten Huldra im roten Kleid.
Flåm empfängt uns mit Regen – tja das kommt auch vor. Hier steigen wir um in ein Tragflächenboot. Kreuzfahrt über die schönsten, tiefsten und schönsten Fjorde der Region. Bis nach Vik führt die Reise. Hier bleiben wir über Nacht. Und wieder genießen wir nordische Kulinarik vom Feinsten.
Früh am Morgen am Fjord – klare Luft und Blick in die fantastische Landschaft. Von Balestrand kommt langsam eines der Fjordschiffe näher. Es wird uns nach Bergen bringen. Nochmal ein Tag in den Fjorden. Ach wie schön ist Norwegen. Hier im Südwesten zeigt es sich grün, manchmal lieblich manchmal atemberaubend. Von meinen früheren Reisen weiß ich, dass sich dieses Empfinden ändern wird. Später wird die Landschaft oft schroff und unnahbar daherkommen. Doch das hat noch etwas Zeit – ist dem arktischen Norden vorbehalten.
Um die Mittagszeit erreichen wir mit dem besagten Fjordschiff Bergen, die Hauptstadt Fjordnorwegens und des Regens. Und eine kulinarische Hauptstadt der Reichtümer aus dem Meer. Das wollen wir auf dem Fischmarkt testen. Norwegische Kaltwasserauster und Jakobsmuschel, kaltgeräucherter Lachs und gebeizter aus dem Ofen, Hering und Garnelen und als absoluter Höhepunkt – Königskrabbe frisch aus dem Wasser. Was für ein opulentes Mahl. Dann klart es auf, Zeit für den Fløyen. Mehr als 300m ragt der Hausberg über die Stadt. Die Bahn bringt uns hinauf. Von oben bietet sich ein weiter Ausblick über Stadt und Fjord, Inseln und Meer. Da liegt auch unser Schiff, das zu Hause für die nächsten Tage. HAVILA Polaris – wir kommen. „Ihre Koffer sind bereits auf Kabine“ – die wurden nämlich direkt von Oslo nach Bergen transportiert. Per Kofferkurier. So lässt es sich unbeschwert reisen. Nun gehen wir also an Bord unseres Küstenschiffes. Wer nun die Opulenz eines Kreuzfahrtschiffes erwartet, wird möglicherweise enttäuscht sein. Die Polaris bietet skandinavisches Understatement. Helles Holz, viele transparente Glasflächen und großzügige Außendecks. Hier ist die Natur der König. Landschaftskino statt Entertainment. Klar – wir sind in Norwegen. Leinen Los HAVILA Polaris – auf zum Abenteuer an Norwegens Küsten. Nach dem ersten Abendessen muss ich mich korrigieren. Neben der Natur und Landschaft spielt besonders die Kulinarik eine wichtige Rolle an Bord. Die steht Genüssen in einem Sternerestaurant nicht nach. Alles dreht sich um Zutaten aus dem Meer, den Fjorden und vom Land – immer regional, immer frisch zubereitet. Eine zweite Reise, neben der entlang der Küste, eine durch Norwegens Küchen.
„Heute gehen wir nicht von Bord“ – die schönsten Panoramen des Geirangerfjords gibt es vom Außendeck. Der Geirangerfjord ist Norwegens dramatischster Fjord – tief eingeschnitten, von steilen Felswänden umrahmt und gesäumt von donnernden Wasserfällen wie den „Sieben Schwestern“. Schiffe gleiten lautlos durch das smaragdgrüne Wasser. Ein Naturwunder von UNESCO-Rang – wild, majestätisch und unvergesslich. Ich war bestimmt schon mehr als 5x hier – doch ich verpasse keine Minute der Fahrt durch diesen Fjord. Immer wieder staune ich ob der wilden Schönheit. Was für ein Künstler die Natur doch ist. Am nächsten Tag erwarten uns dann eher menschgemachte Kunstwerke. Und zwar erreichen wir die alte Hauptstadt der Wikinger – Trondheim. Der Nidarosdom in Trondheim ist Norwegens bedeutendstes Kirchenbauwerk – eine gewaltige gotische Kathedrale, erbaut über dem Grab des Heiligen Olav, des Nationalheiligen. Mit ihrer reich verzierten Westfassade, der eindrucksvollen Rosette und dem mystischen Innenraum ist sie ein Pilgerziel und architektonisches Meisterwerk zugleich.
Immer weiter gen Norden. Bodø ist unser nächstes Ziel. Hier steigen wir um in ein Gummiboot. Zodiak oder RIB genannt. Wir wollen einen ganz besonderen Strom entdecken. Doch vorher suchen wir Seeadler. Die sollen hier Ihre Nester haben. Und tatsächlich auf dem Felsen da drüben sitzt einer. Riesig, der Vogel. Um die 2m Flügelspannweiter segelt er uns entgegen. Dann greift er den bereitgehaltenen Fisch und fliegt davon. Faszinierend. Weiter zum mächtigen Strom. Saltstraumen, gilt als stärkste Gezeitenströmung der Welt: Alle sechs Stunden pressen bis zu 400 Millionen m³ Wasser durch den rund 150 m breiten Sund – mit Geschwindigkeiten von bis zu 20 Knoten (ca. 37 km/h) – und erzeugen gewaltige Wasserstrudel von bis zu 10 m Durchmesser und 5 m Tiefe. Mir wird es echt ein wenig mulmig. Wir im Gummiboot und solche Strudel. Wohlbehalten kehren wir zurück. HAVILA Polaris lässt schon das Schiffshorn tönen. Zeit also, an Bord zu gehen.
So langsam hat sich die Landschaft geändert. Die dichten Wälder haben vielerorten kahle Felsen ersetzt. Manchmal schroff, manchmal glattgeschliffen. Schnee liegt in den Furchen und auf den Bergen. In der Ferne glitzert der Schnee in der Sonne. Die scheint uns nun den ganzen Tag. Auch über Mitternacht. Wir haben den Polarkreis überquert – nun wird es nicht mehr dunkel. Eine seltsame Erfahrung, wie ich finde.
Dann Tromsø, oft als „Tor zur Arktis“ bezeichnet, ist eine lebendige Stadt nördlich des Polarkreises. Die Stadt verbindet modernes urbanes Leben mit faszinierender arktischer Natur. Hoch hinauf zum Storsteinen schaffen wir es diesmal leider nicht. Die Seilbahn funktioniert nicht. Und per Pedes ist es für mich einfach viel zu beschwerlich. Norwegische Taxifahrer aus Eritrea und dem Iran bringen uns zur Universitätskirche – mittlerweile als Eismeerkathedrale bekannt. Die Ishavskatedralen, wie sie in der Landessprache heißt, ist ein architektonisches Meisterwerk, das 1965 eingeweiht wurde. Entworfen vom norwegischen Architekten Jan Inge Hovig, besticht die Kirche durch ihre markante Form, die an Eisberge und die arktische Landschaft erinnert. Das Dach besteht aus elf weißen Betonplatten, die mit Aluminium beschichtet sind und spitz zulaufen, was der Kirche ihr charakteristisches Aussehen verleiht. Im Inneren der Kirche befindet sich das beeindruckende Glasfenster „Kristi gjenkomst“ (Die Wiederkunft Christi), geschaffen von dem Künstler Victor Sparre im Jahr 1972. Dieses Glasbild zeigt die Hand Gottes, aus der drei Lichtstrahlen hervorgehen – einer durch Jesus, einer durch eine
Frau und einer durch einen Mann – und ist ein zentrales Symbol der Kirche. Grandios!
Zurück wandern wir über die mehr als 1km lange Brücke der Stadt. Unser Ziel: das Svermeri Kafé og Redesign. Hier gibt es mit Abstand den besten Kuchen der Stadt. Und so ist es auch – ein echter Genuss.
Wieder heißt es Leinen Los HAVILA Polaris. Am Horizont können wir schon die markanten Zacken der Lofoten sehen. Lofoten — ein magischer Ort, wo wilde Berge das Meer küssen, und die ewige Sommersonne verzaubert. Svölvar flüstert uralte Geschichten von Nordmännern und Legenden, die in der kühlen Luft lebendig werden. Im Trollfjord fühlen wir die Kraft der Natur, wenn die steilen Felsen wie Wächter in die Tiefe ragen. Heute gehen wir nicht mehr zu Bett. Erst weit nach Mitternacht, aufgekratzt und voller Energie (von den Trollen, Elfen und Feen) finden wir kaum Ruhe im Bettchen unserer Kabine. Erst gegen 2 Uhr morgens schließen sich meine Äuglein und träumen schon vom nächsten Abenteuer. Nächster Halt: Nordkapinsel!
Das Nordkap, die nördlichste Spitze Europas, ist ein Ort voller Sehnsucht und Abenteuer. Hier trifft die unendliche Weite des Eises auf den Himmel, der im Sommer niemals dunkel wird. Die Nordkapinsel strahlt eine geheimnisvolle Kraft aus, als wäre sie das Tor zu einer anderen Welt – wild, einsam und atemberaubend schön. Wir stoppen an einem faszinierenden Aussichtspunkt. Dann besuchen wir eine der Samifamilien. Bereitwillig erzählt mir Nils-Aslak von seinem Leben. Seine Großmutter wurde noch in einem Zelt geboren. Auch heute noch leben viele Sami nomadisch. Die Sommer verbringt er mit seiner Rentierherde auf der Nordkapinsel. „Hier gibt es Moose, Gräser und Pilze, die mögen die Tiere.“ Im Winter geht´s rund 300km gen Süden. Dann ernähren sich die Rentiere von Flechten. Die Familie lebt dann im Winterhaus. Die Samen kämpfen bis heute für den Schutz ihrer Kultur, Sprache und Rechte als indigene Völker. Ihre reiche Tradition verbindet alte Weisheit mit moderner Identität. Weiter zum nördlichsten Punkt Europas. Das Nordkap erhebt sich dramatisch über dem tosenden Ozean – der nördlichste Traum Europas. Hier küsst die Mitternachtssonne die endlose Weite, die Seele atmet Freiheit. Ein magischer Ort, an dem das Gefühl von Unendlichkeit jeden Besucher tief berührt.
„Nun geht unsere letzte Exkursion zu Ende. Nochmal Leinen Los, nochmals richtig Schlemmen im Restaurant, noch ein Bier mit Panoramablick“ – am nächsten Morgen kommt Kirkenes in Blick. Der Wendepunkt der Havila Küstenroute, unser Endpunkt ist erreicht. Nun bringen uns die Flieger der SAS, Scandinavian Airlines System, zurück nach Berlin. Per Bus zurück – nicht ohne ein deftiges Thüringer Abendbrot. Die Reise ist zu Ende, die Bilder und Geschichten bleiben. Bis bald. «Tilbake i Norge». Zurück in Norwegen!